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Freitag, 18. November 2016

Einsatz für eine bessere Gesellschaft und ein besseres Miteinander




Die "unermüdliche Experimentatorin" Roya HassanAbadi in den Labors des Augsburger Instituts für Physik.



Der DAAD-Preis 2016 der Universität Augsburg geht an die iranische Physik-Absolventin Roya HassanAbadi. / Bei der Preisverleihung am 23. November 2016 werden auch die ausländischen Absolventinnen und Absolventen des vergangenen Studienjahrs geehrt.

Augsburg/DF/KPP – „Insgesamt muss ihre Arbeit als Einsatz für eine bessere Gesellschaft und ein besseres Miteinander gewertet werden.“ So fasst das Gutachten, mit dem Roya HassanAbadi für den diesjährigen „Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für hervorragende Leistungen ausländischer Studentinnen und Studenten an deutschen Hochschulen“ vorgeschlagen wurde, das umfassende ehrenamtliche Engagement der Physikerin zusammen. Am 23. November 2016 wird ihr die Auszeichnung im Rahmen der Ehrung von ausländischen Absolventinnen und Absolventen überreicht, die im Studienjahr 2015/16 ihr Studium an der Universität Augsburg erfolgreich abgeschlossen haben.

Roya HassanAbadi schloss im Jahr 2001 ihr Studium der Physik an der iranischen Jasuj-Universität mit Diplom ab und arbeitete im Anschluss als Lehrerin an unterschiedlichen Gymnasien in ihrer Heimatprovinz Khudestan. Nach sechs Jahren im Schuldienst zog sie im Jahr 2008 nach Deutschland, 2011 nahm sie ein Masterstudium der Physik an der Universität Augsburg auf. Ihre Erfahrungen als Lehrerin konnte HassanAbadi auch an ihrer neuen Wirkungsstätte einbringen: So arbeitete sie von 2011 bis 2013 als Tutorin und stand den Studierenden bei der Vertiefung der Vorlesungsinhalte zur Seite.

Unermüdliche Experimentatorin

Im März 2016 legte sie ihre Masterarbeit vor, in der sie mit der experimentellen Methode der Elektronenspinresonanz (ESR) niedrigdimensionale Magnete untersuchte. Ihr Betreuer, PD Dr. Hans-Albrecht Krug von Nidda vom Lehrstuhl für Experimentalphysik V, lobt HassanAbadi in seinem fachlichen Gutachten als „äußerst fleißige, eifrige, unermüdliche Experimentatorin“.

Einsatz für Frauenrechte im Iran und in Deutschland

Doch HassanAbadis Eifer und Engagement erstrecken sich weit über den wissenschaftlichen Bereich hinaus: Schon vor ihrem Umzug nach Deutschland engagierte sie sich in der iranischen Stadt Bandar Mahshar für Frauenrechte. Als Gründerin und Vorsitzende des Vereins Frauen in der BIPC (Petrochemical Commercial Co.) half sie weiblichen Vereinsmitgliedern dabei, durch das Nähen von Arbeitskleidung selbst erwerbstätig zu werden und so Geld zu verdienen. Seit Ende 2015 engagiert sich HassanAbadi auch in Augsburg für Frauen in Not: Beim Verein SOLWODI hilft sie Frauen, die unter Zwangsheirat oder häuslicher Gewalt gelitten haben, auf dem Weg in ein neues Leben.

Initiativ und kreativ aktiv bei "Tür an Tür" und im "Grandhotel Cosmopolis"

Als Dolmetscherin und Begleiterin bei Behördengängen engagiert sich die Physikerin bereits seit 2009 auch im Verein Tür an Tür e. V., der sich für mehr Rechte und Chancen für Zuwanderer einsetzt (http://www.tuerantuer.de/). HassanAbadi, die nach ihrer Ankunft in Augsburg ebenfalls bei Tür an Tür e. V. die deutsche Sprache erlernt hatte, möchte so Menschen mit ähnlichen Erfahrungen unterstützen. Im Gutachten des Physikers Prof. Dr. Alois Loidl wird dabei insbesondere ihr „Blick für das Ganze“ hervorgehoben. So habe HassanAbadi den Mehrbedarf an Deutschkursen besonders für afghanische Geflüchtete erkannt und daraufhin eigene Kurse und zusätzliche Lehrkräfte organisiert. Damit habe sie nicht nur den Geflüchteten geholfen, sondern auch die vielen Ehrenamtlichen und Tür an Tür e. V. entlastet. Damit aber nicht genug, war HassanAbadi auch an der Entstehung des Grandhotel Cosmopolis (http://grandhotel-cosmopolis.org) beteiligt. Sie setzte sich dafür ein, dass kunstbegeisterte Geflüchtete ein Atelier und die Möglichkeit bekamen, ihre Werke auszustellen.

„Mit ihrem Wirken bei Tür an Tür e. V. und beim Grandhotel Cosmopolis“, so Loidl, „hat sie an der Entwicklung zweier wichtiger Institutionen teilgehabt, die das Stadtleben in Augsburg wesentlich bereichern und zu einem friedlichen Miteinander beitragen. Diese und zahlreiche weitere Verdienste im sozialen Bereich machen Roya HassanAbadi zu einer würdigen Trägerin des DAAD-Preises 2016."

Ehrung einer repräsentativen Gruppe ausländischer Absolventinnen und Absolventen

Wie immer ist die DAAD-Preisverleihung an der Universität Augsburg auch in diesem Jahr wieder verbunden mit der Ehrung ausländischer Absolventinnen und Absolventen des zurückliegenden Studienjahres. "In einer fremden Sprache und in einem fremden Land ein Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen zu haben, ist in unserer Überzeugung eine Leistung, die es zu würdigen gilt", so Dr. Sabine Tamm, die Leiterin des Akademischen Auslandsamtes der Universität Augsburg.


Termin und Programm

Die feierliche Verleihung des "Preises des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für hervorragende Leistungen ausländischer Studentinnen und Studenten an deutschen Hochschulen" 2016 beginnt am Mittwoch, dem 23. November 2016, um 19.00 Uhr im Hörsaal 1001 des Physik-Hörsaalzentrums (Gebäude T, Universitätsstraße 1, 86159 Augsburg). Im Mittelpunkt des Programms steht die Würdigung der Preisträgerin in einer Laudatio von Prof. Dr. Alois Loidl (Lehrstuhl für Experimentalphysik V). Die musikalische Gestaltung der Feier besorgen Studierende des Lehrstuhls für Musikpädagogik unter Leitung von Uwe Rachuth. Der Eintritt ist frei.


Kontakt:
Dr. Sabine Tamm
Akademisches Auslandsamt der Universität Augsburg
Telefon 0821/598-5135




Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001