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Mittwoch, 20. September 2017

Orientierungstag für kulturell interessierte Schülerinnen und Schüler an der Uni Witten/Herdecke. Prof. Dr. Dirk Baecker: „Kultur, wie wir sie kennen, ist von gestern“




Besonders für kulturell interessierte und talentierte Schülerinnen und Schüler ist es nicht immer leicht, einen Weg zu einer aussichtsreichen beruflichen Zukunft zu finden. Unter dem Titel „Bist Du Kultur?“ bietet die Universität Witten/Herdecke (UW/H) deshalb am 11. Oktober ab 15:30 Uhr einen kostenfreien Informationsnachmittag an. Die Veranstaltung findet im Rahmen der TalentTage Ruhr statt. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen, ihre Talente und Interessen zu entdecken, weiterzuentwickeln und in ihre beruflichen Planungen einzubeziehen.

Zielgruppe sind Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler, die sich vorstellen können, „irgendetwas mit Kultur“ zu studieren, aber noch keine Ahnung haben, welche Studienmöglichkeiten es gibt, was sie in einem derartigen Studium erwartet und welche Perspektiven ein Abschluss in diesen Studiengängen bietet. Auf dem Programm stehen spannende Diskussionen mit Professoren und Studierenden, Probeseminare und ein gegenseitiger Austausch.

Motto des Tages ist die Frage „Bist Du Kultur?“. Angeboten werden unter anderem Probeseminare aus den Bereichen Philosophie, Politik und Kunstwissenschaft. Dabei geht es um Themen wie „Innovation – eine Frage des Blicks?“ oder „Wie umgehen mit Populismus?“. Dabei wird Kulturreflexion ausdrücklich nicht nur als Blick auf die Hochkultur oder die großen, bedeutenden Kunstwerke verstanden, vielmehr geht es darum, aktuelle Entwicklungen in ihrer kulturellen Komplexität, wichtige kulturelle Einflüsse und Themenbereiche analysieren und Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit liefern zu können.

„Kultur, wie wir sie kennen, ist von gestern“, sagt Prof. Dr. Dirk Baecker, Dekan der Fakultät für Kulturreflexion an der UW/H. „Die Globalisierung wirbelt die nationalen Räume durcheinander, die Digitalisierung bringt uns in einen engeren Kontakt mit Maschinen und die ökologische Frage wirft das Problem einer generellen kulturellen Blindheit im Umgang mit der Umwelt auf. Welche Antworten haben da Philosophie, Soziologie, Kunst- und Literaturwissenschaft?“ Auch um solche Fragen soll es bei der Veranstaltung gehen.

Die Fakultät für Kulturreflexion an der Wittener Uni zeichnet sich insbesondere durch ihr breites, unter einem Dach zusammengefasstes Angebot an geisteswissenschaftlichen Fächern aus. Sie befasst sich mit Themen der Kunst, Kultur und Politik im Übergang von der modernen zur digitalen Gesellschaft. Forschung und Lehre sind praxisorientiert und ermöglichen Zugänge zu verschiedensten Berufen im Kulturbereich. Am „Bist Du Kultur?“-Tag erhalten alle Interessierten deshalb einen fundierten Überblick darüber, welche wissenschaftlichen Ansätze, Perspektiven, Methoden und Lösungen sich hinter „Irgendwas mit Kultur“ verbergen. „Wichtig ist uns, dass unsere Studierenden lernen, über den Tellerrand nur eines einzelnen Faches hinauszuschauen“, erläutert Prof. Baecker den Ansatz der Fakultät.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter: www.uni-wh.de/bistdukultur


Zum Hintergrund: Die TalentTage Ruhr 2017:

Geballte Informationen für Schüler, Studierende, Eltern, Pädagogen und Ausbilder, offene Klassenzimmer, Hörsäle oder Werkstätten – und vor allem ganz viele Mitmachangebote: Bei den TalentTagen Ruhr 2017 stellt vom 3. bis 13. Oktober eine ganze Region unter Beweis, was sie in Sachen Bildung drauf hat. Unter dem Motto „11 Tage für Talente im Ruhrgebiet“ zeigen in diesem Jahr insgesamt 115 Initiativen, Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Kammern, Vereine und Kommunen bei 137 Einzelveranstaltungen in 26 Städten, wo Talente zu finden sind und wie Nachwuchsförderung gelingt. Die TalentTage Ruhr werden organisiert von der TalentMetropole Ruhr (TMR), dem Bildungsleitprojekt des Initiativkreises Ruhr.

Der elftägige Veranstaltungsmarathon im Ruhrgebiet gibt allen Akteuren eine Bühne und ist Mutmacher für den Nachwuchs. Insgesamt werden mehr als 20.000 Teilnehmer erwartet.

Das komplette Programm der TalentTage Ruhr finden Sie unter: www.talentmetropoleruhr.de.


Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.400 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

www.uni-wh.de / #UniWH / @UniWH 

Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001