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Samstag, 13. August 2016

Psoriasis-Medikament bremst Wachstum und Metastasierung von Krebszellen


Immunfluoreszenzfärbung eines kutanes T-Zelllymphoms nach DMF-Behandlung: Bösartige Zellen sind rot, sterbende Zellen grün gefärbt. Stirbt eine Tumorzelle, überlagern sich die Farben und es kommt zu einer gelben Färbung. Die vielen gelben Zellen zeigen, dass das Medikament DMF die Lymphomzellen wirksam bekämpft. (Es handelt sich um Lymphomzellen des Menschen, die auf Mäuse übertragen wurden.)  „Quelle: Anne Schröder/Karin Müller-Decker, DKFZ“. 
Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum prüfen einen vielversprechenden Wirkstoff gegen Tumoren des Immunsystems. Bei dieser Erkrankung haben die Krebszellen „verlernt“ auf Signale zu reagieren, die den programmierten Zelltod Apoptose einleiten. Die neue Substanz stellt diese Fähigkeit wieder her und bremst so das Wachstum und vor allem die Metastasierung der Tumoren.

Kutane T-Zell-Lymphome treten in der Haut auf. Sie bilden sich aus entarteten T-Zellen des Immunsystems. Eine besondere Form dieses Tumors ist das Sézary Syndrom, für das es bisher keine Heilungsmöglichkeiten gibt. Bei dieser Erkrankung werden die entarteten Zellen nicht nur in der Haut, sondern auch im Blut gefunden. Von dort aus können sie dann auch andere Organe befallen.

Krebsforscher wissen, dass die Bösartigkeit des Sézary Syndroms in erster Linie darauf beruht, dass die Krebszellen nicht mehr auf Signale reagieren, die den programmierten Zelltod, die Apoptose, auslösen. Das macht die Behandlung der Tumoren besonders schwierig, denn die Wirkung der meisten Krebsmedikamente beruht gerade darauf, Apoptose auszulösen.

Karsten Gülow und seinem Team im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist es nun gelungen, in den Tumorzellen einen bestimmten Überlebensfaktor auszuschalten und die Krebszellen dadurch in die Apoptose zu treiben. Die DKFZ-Forscher arbeiteten bei diesem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt mit Jan Nicolay von der Hautklinik der Universität Mannheim zusammen.

„In den Lymphomzellen ist ein wichtiger „Überlebensfaktor“ der Zelle, NFkappaB, dauerhaft aktiviert, das macht sie resistent gegen Apoptose“ sagt Karsten Gülow. „Leider waren aber alle bislang erprobten Hemmstoffe dieses Faktors zu giftig, um sie als Medikamente einzusetzen“.

Gülow, Nicolay und Kollegen erprobten nun beim kutanen T-Zell-Lymphom erstmals den Wirkstoff Dimethylfumarat (DMF), der ebenfalls gegen NFkappaB wirkt. Ein großer Vorteil dieser Substanz ist, dass sie bereits bei Multipler Sklerose und bei Psoriasis als Medikament zugelassen ist.

Die Forscher untersuchten die DMF-Wirkung an T-Zellen, die sie aus dem Blut von Patienten mit Sézary-Syndrom isoliert hatten. Sie transplantierten die Tumorzellen unter die Haut von Mäusen, wo sie zu Tumoren heranwuchsen. Anschließend behandelten sie die Tiere mit DMF. Nach Abschluss der Therapie wuchsen die Tumoren langsamer und die Wissenschaftler konnten zeigen, dass DMF selektiv die Tumorzellen abtötet, gesunde T-Zellen blieben dagegen verschont. Noch bemerkenswerter war, dass die DMF-Behandlung bei den transplantierten Tumoren die Metastasierung, also einen Befall anderer Organe, nahezu komplett unterbinden konnte.

„Unsere Ergebnisse sind vielversprechend“, sagt Peter Krammer vom DKFZ. „DMF scheint mindestens vergleichbar wirksam und dabei besser verträglich zu sein als die meisten anderen Wirkstoffe, die gegen kutane Lymphome eingesetzt werden. Deshalb haben wir sofort begonnen, das Potenzial des Medikaments zu prüfen.“ Mittlerweile haben die Forscher diese klinische Studie bereits in Zusammenarbeit mit der der Arbeitsgruppe von Anne Kuhn vom DKFZ und Sergij Gördt von der Hautklinik der Universität Mannheim initiiert; sie wird von der Helmholtz Alliance for Immunotherapy gefördert.

Jan P. Nicolay, Karin Müller-Decker, Anne Schroeder, Markus Brechmann, Markus Möbs, Cyrill Géraud, Chalid Assaf, Sergij Goerdt, Peter H. Krammer, Karsten Gülow: Dimethyl fumarate restores apoptosis sensitivity and inhibits tumor growth and metastasis in CTCL by targeting NFκB.
Blood 2016, DOI: 10.1182/blood-2016-01-694117

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

Ansprechpartner für die Presse:

Dr. Stefanie Seltmann
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg
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F: +49 6221 42-2968

Dr. Sibylle Kohlstädt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
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Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001