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Samstag, 26. August 2017

Digitale Mundpropaganda bei Games: Online-Produktbewertungen wichtiger für den Erfolg von Videospielen als Tweets



Vor der Markteinführung haben die Tweets mehr Einfluss auf den Verkaufserfolg von Videospielen, nach der Produkteinführung gewinnen die Online-Produktbewertungen an Relevanz. Für die Marketing-Manager der Spieleindustrie lassen sich hieraus Empfehlungen ableiten.

Bei der diesjährigen Gamescom in Köln (22. bis 26. August 2017) werden wieder viele neue Spiele vorgestellt und Produkteinführungen oder –neuerungen angekündigt. Aber was passiert eigentlich in der digitalen Community vor und nach einer Produkteinführung? Diese Frage hat sich André Marchand, Professor für Marketing & Digital Environment an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, gemeinsam mit weiteren Experten auch gestellt.

Nach einer Langzeitstudie und der Auswertung von über 13 Millionen Tweets auf Twitter und mehr als 17.000 Produktbewertungen kam das Team zu folgenden Erkenntnissen: Diese Kommunikationskanäle müssen differenziert betrachtet werden. Die verschiedenen Kanäle der digitalen Mundpropaganda (engl.: word-of-mouth (WOM)) haben unterschiedlichen Einfluss je nach Phase der Markteinführung. Vor der Markteinführung wird in der digitalen Community diskutiert und spekuliert: dafür eignen sich die Microblogs wie Twitter besonders gut. Ein Ergebnis des Forschungsprojektes zeigt dann auch, dass das Tweet-Aufkommen vor der Markteinführung den Erfolg des Produktes beeinflusst. In der Woche der Einführung haben sowohl die Häufigkeit der Tweets als auch die von den Nutzern selbstverfassten Produktbewertungen einen Einfluss auf die Verkaufszahlen. Je länger das Produkt auf dem Markt ist, desto relevanter werden die Produktbewertungen.

Hieraus leitet André Marchand eine Empfehlung für die Marketing-Manager der Spieleindustrie ab: „Derzeit fokussieren sich die Marketing-Aktivitäten noch stark auf die Phase vor der Markteinführung. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass auch nach der Markteinführung der Produkterfolg in der digitalen Community noch beeinflusst werden kann. Der Trend in der Spieleindustrie geht derzeit in Richtung Social Media-Kampagnen, aber wir konnten zeigen, dass die Produktbewertungen einen nachhaltigeren Einfluss auf die Kaufentscheidungen in den zehn Wochen nach Produkteinführung haben.“ André Marchand empfiehlt daher: „Manager sollten die relevanten Foren beobachten und das Feedback ihrer Kunden für die Behebung von Bugs und Fehlern nutzen.“

Am ersten Tag der Gamescom nutzte Professor Marchand die Gelegenheit zum persönlichen Austausch mit den Managern der Spieleindustrie: „Das Marketing von Videospielen ist sehr komplex. Manager von digitalen Spielen können aufgrund langer Produktionszyklen nur schwer einschätzen, inwiefern zum Zeitpunkt der Erscheinung die jetzige Konsolengeneration noch aktuell ist und wie hoch demnach die Zahl potenzieller Kunden ist.“

André Marchand ist auf der Gamescom ein weiterer Trend aufgefallen, der für das Marketing der Spielebranche relevant ist: „Die Spieler sind nicht mehr männlich und unter 18 Jahre alt, sondern heute im Durchschnitt 35 Jahre alt und zu einem Drittel weiblich. Die Zielgruppen diversifizieren sich derzeit immer weiter, was sich natürlich auch auf die Entwicklung und Vermarktung der Spiele auswirken wird.“


Inhaltlicher Kontakt:
Prof. Dr. André Marchand
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln
+49 221 470-4128
marchand@wiso.uni-koeln.de 
Presse und Kommunikation:
Corinna Kielwein
+49 221 470-1700
c.kielwein@verw.uni-koeln.de


Weitere Informationen:
Marchand, André, Thorsten Hennig-Thurau, and Caroline Wiertz (2017), “Not all digital word of mouth is created equal: Understanding the respective impact of consumer reviews and microblogs on new product success,” International Journal of Research in Marketing, 34 (2), 336-354


Verantwortlich: Dr. Patrick Honecker MBA

Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001