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Montag, 3. April 2017

Berufsziel Physikerin, Traumjob Grundschullehrer. Berufliche Geschlechterrollen werden am Girls’ und Boys’ Day der Universität Augsburg auf den Kopf gestellt

Augsburg/KS/AP – Am 27. April 2017 findet bundesweit der Girls’ Day sowie der Boys’ Day statt. In Augsburg lernen fast 400 Jungen und Mädchen an diesem Tag die Studienvielfalt der Universität kennen und können sich in geschlechtsuntypischen Berufsfeldern ausprobieren. Auf die starke Nachfrage der letzten Jahre reagiert die Universität Augsburg mit einem vielfältigen Programm, welches spannende Einblicke in die verschiedensten Disziplinen verspricht.

Die Fächerwahl zu Studienbeginn ist für viele Abiturientinnen und Abiturienten nicht leicht. Oftmals entscheiden sie sich analog des Stereotyps typischer Frauen- und Männerberufe. Dies belegen auch die Augsburger Erstsemesterzahlen des Wintersemesters 2016/17. Nur etwa 18 Prozent der Studienanfänger im Fach Physik sind weiblich. Noch geringer fällt der Frauenanteil mit 12 Prozent im Fach Informatik aus. Als typische Studiengänge für Frauen gelten Erziehungswissenschaften sowie Medien und Kommunikation, was sich auch in Augsburg in einem Männeranteil von nur 12 bzw. 19 Prozent bei den Ersteinschreibungen zeigt.

„An der Universität Augsburg hat die Gleichstellungsarbeit eine lange und starke Tradition. Mehr Frauen für Naturwissenschaften und mehr Männer für soziale Berufe zu gewinnen ist uns daher ein großes Anliegen. Der Girls’  und Boys’  Day setzt hier früh wertvolle Impulse“, so Prof. Dr. Marita Krauss, Frauenbeauftragte der Universität. Daher bietet die Universität Augsburg im Rahmen des diesjährigen Girls’  und Boys’  Day insgesamt 16 Programme an, in denen interessierten Jungen und Mädchen eine breite Palette an verschiedensten Fachrichtungen und Berufsfeldern vorgestellt werden.

Schülerinnen steuern Roboter, Schüler versuchen sich als Grundschullehrer

Während des Girls’ Day haben Schülerinnen die Möglichkeit, mit dem innovativen Faserverbundstoff „Carbon“ zu arbeiten, der als beständiger, aber superleichter Werkstoff insbesondere in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt wird. Im Fach Geoinformatik erfahren die Teilnehmerinnen, wie die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung funktioniert. Weitere spannende Programme gibt es in den Bereichen Bau und Technik, Volkswirtschaft, Informatik, Mathematik sowie Physik und Chemie.

Neu im Programm des Boys’ Day ist in diesem Jahr das Angebot in den Disziplinen Erlebnispädagogik und Kommunikationswissenschaften. Jungen erproben sich als „Social Media-Experten“ auf Facebook und Instagram. Am Lehrstuhl für Psychologie wird gemeinsam mit den Jungen erforscht, wie wir andere Menschen wahrnehmen und welche Rolle dabei Körpersprache spielt. In der Universitätsbibliothek werden die Jungen zu „Herren der Bücher“ und erfahren viel über den Beruf des Bibliothekars. Den Beruf des Mittel- bzw. Grundschullehrers können sie vor Ort an der Mittelschule Friedberg und der Westparkgrundschule kennenlernen. Auch die Uni-Kinderkrippe öffnet wieder ihre Türen.

Über den Girls und Boys Day
17 Jahre nach seinem Start ist der Girls’ Day für Schülerinnen eine viel genutzte Möglichkeit der Berufsorientierung. Das dazu analoge, aber etwas neuere Programm des Boys’ Days findet zum siebten Mal statt. Die Anmeldung ist unter www.boys-day.de bzw. www.girls-day.de möglich. Weitere Informationen über das Programm der Universität Augsburg am 27.4.2017 finden interessierte Schülerinnen und Schüler, Eltern, Unternehmen und Schulen auf der Homepage des Büros für Chancengleichheit.

Weitere Informationen:


Kontakt:
Büro für Chancengleichheit
Universität Augsburg
chancengleichheit@zbe.uni-augsburg.de
Tel: 0821/5985145


Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001