Translate

Mittwoch, 24. Mai 2017

Interkulturelle Vielfalt im Arbeitsalltag: Informationen und Tipps für mehr gegenseitiges Verständnis





Katharina Lerch, Interkulturelle Trainerin bei den Carl Duisberg Centren. 
Copyright: Carl Duisberg Centren 


Am 30. Mai 2017 findet der 5. Deutsche Diversity Tag statt. Im Zuge von Globalisierung und demografischem Wandel in der Arbeitswelt ist die kulturelle Vielfalt in Unternehmen ein wichtiger Aspekt beim Thema Diversity – sei es im eigenen Team, in der Zusammenarbeit mit Partnern und Kunden oder bei der Integration von Zuwanderern. Ein vielfältiges Umfeld kann gewinnbringend für den wirtschaftlichen Erfolg, aber auch Bereicherung für das persönliche Miteinander sein. Vorausgesetzt, alle Beteiligten sind sensibilisiert für die Wirkung kultureller Prägung auf unser Denken und Handeln. Katarina Lerch, interkulturelle Trainerin bei den gemeinnützigen Carl Duisberg Centren, gibt Informationen und Tipps für mehr gegenseitiges Verständnis:

Small Talk is Big Talk
Für Deutsche genügt es, wenn man mit sparsamen Worten grüßt, dankt oder lobt. Im internationalen Vergleich gelten sie als sehr sachlich und nüchtern. „Süßholzraspeln“ dient jedoch vielen Kulturen, wie etwa denen des Orients, der Beziehungspflege. Nehmen Sie sich Zeit für Small Talk, Lob und Komplimente sowie den ernstgemeinten Aufbau persönlicher Beziehungen. Und erklären Sie bei Bedarf, dass unsere nüchterne Art nicht ablehnend gemeint ist und man hier im Berufsleben mit weniger Süßholz besser fährt.

Vorsicht bei Kritik
Bedenken Sie, dass sogar bei sachlich vorgetragener Kritik im Umgang mit den meisten anderen Kulturen Fingerspitzengefühl gefragt ist. Heben Sie positive Aspekte hervor und äußern Sie selbst gut gemeinte Verbesserungsvorschläge anschließend durch die Blume. Vermeiden Sie Sätze wie „Das ist schlecht oder falsch“.

Zeit ist nicht überall Geld
Im arabischen und auch afrikanischen Kulturkreis zählen andere Werte mehr als Pünktlichkeit oder effektive Zeitplanung. Diese Kulturen sind gut im Improvisieren und flexibel bei Planungen. Solche Tugenden sind oft Ergebnis äußerer Umstände, wie etwa der Infrastruktur des Landes, die per se Flexibilität verlangen. Bevor Sie kritisieren, bedenken Sie: das Improvisationstalent dieser Menschen kann eine wertvolle Ergänzung zu deutscher Zeitplanung sein. Richten Sie Ihren Blick auf die positiven Seiten! Erklären Sie, warum Pünktlichkeit für Deutsche wichtig ist und drücken Sie auch mal ein Auge zu!

Wie viel Macht dem Chef?
Chef ist nicht gleich Chef – während in Dänemark oder den Niederlanden der Chef mehr Coach fungiert, genießen Führungskräfte in Asien und Afrika, aber auch im arabischen Raum besondere Privilegien und Statussymbole. Sie sind akzeptierte und respektierte Autoritäten, als Vorgesetzte entscheiden sie und tragen die Verantwortung. Geht ein Kollege aus einer hierarchischeren Kultur bei Entscheidungen nicht über Sie, sondern über Ihren Chef, muss dies daher nicht zwangsläufig ein Zeichen von Misstrauen sein – er hält wahrscheinlich nur den üblichen Dienstweg ein.

Erwartungen kommunizieren
Deutsche tendieren zu einem etwas hierarchischeren Führungsstil, Autoritäten werden aber durchaus hinterfragt. Die Leute an der „Basis“ erwarten, in Entscheidungsprozesse mit einbezogen zu werden oder sogar daran mitzuwirken. Während hierzulande selbstständiges Arbeiten und Eigeninitiative gewünscht sind, kennen Mitarbeiter aus asiatischen, arabischen oder afrikanischen Kulturkreisen kleinschrittiges Arbeiten unter regelmäßiger Kontrolle. Arabische Mitarbeiter etwa sind klare Anweisungen und unbedingtes Nachfragen gewohnt – ein Zeichen der Wertschätzung durch den Chef. Mitarbeitern solcher Kulturen in Deutschland hilft es, wenn sie über Erwartungen aufgeklärt und zu mehr Eigeninitiative ermuntert werden.

Ohne Worte
Der Non-verbale Bereich macht in der zwischenmenschlichen Kommunikation mehr als neunzig Prozent aus. Gestik, Mimik oder etwa Distanzzonen unterscheiden sich je nach Kultur. Werten Sie daher zum Beispiel fehlenden Blickkontakt, etwa bei Menschen aus arabischen Ländern, nicht als Desinteresse an Ihrer Person oder Verlegenheit – ein gesenkter Blick ist dort Ausdruck von Respekt. Und ein schwacher Händedruck in China zeugt nicht von der Unsicherheit des Gegenübers, sondern von gutem Benehmen.

Grundlage für ein gelungenes Miteinander im internationalen Kontakt ist nicht eine größtmögliche Anpassung jeder Seite, sondern vielmehr das Wissen um die eigenen und anderen Werte und deren Hintergründe. Eine offene und abwartende Haltung, das alte Hausmittel „fragen“ sowie der berühmte Blick über den eigenen Tellerrand sind eine gute Basis für eine interkulturelle Sensibilisierung, die die Türe für viele Kulturen öffnet.


Bildung ohne Grenzen - Information zu den Carl Duisberg Centren:
Die Carl Duisberg Centren sind ein führendes Dienstleistungsunternehmen auf dem Gebiet der internationalen Bildung und Qualifizierung. Hochwertige Programme vermitteln Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz, Auslandserfahrung und internationales Praxiswissen. Ob für Schule oder Beruf, die persönliche Entwicklung oder den weltweiten Erfolg – als verlässlicher Partner ermöglichen die Carl Duisberg Centren lebenslanges Lernen in einem globalen Umfeld. Auch grenzüberschreitende Bildungsprojekte für die Wirtschaft und öffentliche Institutionen gehören zum Portfolio des gemeinnützigen Unternehmens. Eigene Standorte und Repräsentanzen im In- und Ausland sowie ein internationales Netzwerk sichern die weltweite Handlungsfähigkeit. 

Pressekontakt:Carl Duisberg Centren
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Anja Thiede
Hansaring 49-51, 50670 Köln
Tel. 0221/1626-261, Fax: 0221/1626-161




Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001