Jeder wünscht sich, dass das eigene Leben gelingt.
Wie dies in Zeiten von Hochleistungsstress, Digitalisierung und immer
schnelleren Veränderungen zu schaffen ist, wissen wir allerdings kaum. Wir
haben mehr Möglichkeiten, aber weniger Zeit dafür. Maximierungsansprüche setzen
uns unter Dauerdruck. Wir fürchten, etwas zu verpassen, nicht gut genug
dazustehen oder die falsche Wahl zu treffen. Von allen Seiten werden wir
beraten, wie wir die vielen Rollen unseres Lebens nicht nur erfüllen, sondern
übererfüllen können. Das ist durchaus lustvoll, doch im Privat- und Berufsleben
steigt mit der Chance auf Selbstbestimmung das Erfordernis der besseren
Selbstfürsorge und Selbsterkenntnis.
Wohl fühlt sich, wer sich entscheiden kann, und
zwar auf der Grundlage dessen, was für einen selbst gut ist. Das heißt
zuallererst, sich selbst wichtiger zu nehmen. Und zwar bevor uns Krisen oder
Krankheiten dazu zwingen. Diese kleine Bestandsaufnahme gilt ganz besonders für
Führungsfrauen.
Warum Führungsfrauen in Gefahr sind
Die Klischees stimmen, sagt eine Studie des Marktforschungsinstitutes
Europressedienst Bonn.
Führungsarbeit kostet Gesundheit
Für Führungsfrauen ist es in Deutschland nach wie vor schwerer Karriere
zu machen. Dabei leisten sie oft mehr als Männer und werden dafür schlechter
bezahlt. Hilfe durch direkte Vorgesetzte begegnet nur knapp 30 Prozent der
Frauen. Das ist Stress pur und Stress macht krank. Jede zweite Managerin hatte Verspannungen,
Kopfschmerzen, Migräne, Schlafstörungen, Nervosität oder Magen-Darm-Probleme.
Am meisten die angestellten Frauen. Selbständige können mit Druck gelassener umgehen.
Für sie ist er eher eine Herausforderung.
Nur 40 Prozent der Frauen sind in der
Lage, am Wochenende den Beruf loszulassen. Inzwischen fehlt es auch den Frauen
an Zeit für Erholung und Selbstfürsorge. Mit Medikamenten verhindern Frauen
auszufallen. Frauen begegnet bei Erkrankung nicht nur die Verständnislosigkeit
der Kollegen, sondern auch der Familien.
Die „SHAPE-Studie“ befasst sich mit einer wissenschaftlichen
Überprüfung des Themas Managerkrankheit. Die männlichen Manager haben
tendenziell weniger körperliche Beschwerden als der Durchschnittsmann.
Weibliche Führungskräfte klagen jedoch signifikant häufiger über körperlichen
Beschwerden im Verhältnis zum Durchschnitt. Sowohl weibliche als auch männliche
Führungskräfte erleben im Verhältnis zum Durchschnitt signifikant häufiger
Erschöpfung. Es wird daraus geschlussfolgert, dass Führungsarbeit verstärkt zu Mattigkeit,
Schlafdefizit, erhöhtem Schwächegefühl und Erschöpfbarkeit zu führen scheint.
Im Bereich chronischer Stress leiden männliche und weibliche
Führungskräfte im Vergleich zum deutschen Durchschnitt signifikant häufiger an Arbeitsüberlastung,
sozialer Überlastung und Erfolgsdruck.
Managerinnen berichten über signifikant mehr
Arbeitsunzufriedenheit, mehr Überforderung bei der Arbeit, mehr Mangel an
Anerkennung und mehr soziale Spannungen. Der Mangel an Wertschätzung, Achtung oder
Lob für die erbrachten Arbeitsleistungen führt zu einer Verschlechterung der
körperlichen Gesundheit.
Überforderung
ist schick
Wir
leben in einer Gesellschaft der Maximierung, des Perfektionismus, der Selbstausbeutung.
Wann ist denn gut jemals gut genug? Wann können wir noch zufrieden sein? Unerreichbare
Maßstäbe sind Normalität geworden und wir machen alle mit. Die Tatsache, dass
Frauen im Beruf mehr Leistung erbringen, hat auch etwas mit ihren Ansprüchen an
sich selbst zu tun.
Negatives
ist ansteckend
Negative
Gefühle wie Erschöpfung oder Zynismus werden zwischen Paaren und in Teams
weitergegeben. Je mehr wir über Stress und Probleme hören und lesen, umso mehr
nehmen wir sie wahr. Die Fähigkeit von Frauen, sich gut in andere einfühlen zu
können, fällt ihnen hier auf die Füße.
Vergleiche
sind Glücksräuber
Denn
wir vergleichen nicht ermutigend, sondern verletzend, schauen nicht zur Seite,
sondern orientieren uns nach oben. Der Vergleich mit gesellschaftlich
vermittelten Idealen ist besonders teuflisch, weil sie uns von früh bis spät
begegnen und wir dadurch glauben, sie seien das einzig Richtige.
Über die Autorin:
Dr. Ilona Bürgel ist
Diplom-Psychologin und Expertin für den Wirtschaftsfaktor Wohlbefinden. Sie hat
es sich zur Aufgabe gemacht, aufzuzeigen, wie der Spagat zwischen Lust auf
Leistung und Erhalt der eigenen Ressourcen in der Welt von heute gelingen kann.
Nach 15 Jahren in Führungspositionen der freien Wirtschaft ist sie heute
erfolgreiche Speakerin, Beraterin, Autorin und Kolumnistin. Sie wurde vom
Ministerium für Wirtschaft und Energie als Vorbildunternehmerin ausgezeichnet.
Soeben erschien ihr Buch „Psychische Ressourcen im Job“. Dr. Ilona Bürgel lebt
und arbeitet in Dresden und Aarhus DK.
Dr. Ilona
Bürgel
Dipl. Psychologin