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Mittwoch, 7. September 2016

Landkarte für Forschung und Entwicklung: Im Süden wird intensiver geforscht als im Norden oder Osten



Deutschlandweit forschen Unternehmen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen am intensivsten. Schlusslichter sind Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Das ergibt eine Analyse aus der FuE-Erhebung 2013 der Wissenschaftsstatistik (Wistat) des Stifterverbandes. Die Besonderheiten der regionalen Verteilung von Forschung und Entwicklung der Wirtschaft wurden aktuell in Essen veröffentlicht.

Essen, 07.09.2016. In Deutschland wurden im Jahr 2013 für Forschung und Entwicklung knapp 80 Milliarden Euro ausgegeben. Dabei sind private und öffentliche Forschungsaktivitäten ungleich verteilt. Mehr als zwei Drittel der FuE-Ausgaben werden von forschenden Unternehmen finanziert.

Ein Blick auf die FuE-Landkarte der Wirtschaft zeigt, auch regional gibt es große Unterschiede. So konnten die Bundesländer Bayern und Hessen ihre führende Position halten. In Baden-Württemberg haben die Unternehmen ihre Forschungsaktivitäten sogar weiter ausgebaut, damit sind die Baden-Württemberger mit Abstand Spitzenreiter.

Motor für die erfolgreiche Dynamik im Süden sind die forschungsstarken Industriebranchen, insbesondere Kraftfahrzeugbau, Elektrotechnik und Maschinenbau. Die hessische Industrieforschung wird von der pharmazeutischen Industrie dominiert, gefolgt vom Kraftfahrzeugbau und forschenden Dienstleistungsbranchen. Niedersachsen, liegt auf dem vierten Platz, konzentriert sich aber fast monostrukturell auf den Kraftfahrzeugbau. Dagegen erscheint der Branchenmix in Nordrhein-Westfalen zwar ausgewogen, die FuE-Intensität des einwohnerstärksten Bundeslandes liegt jedoch auf einem geringen Niveau.

Bezogen auf die wirtschaftliche Gesamtleistung (BIP) wird vergleichsweise wenig in weiten Teilen Ostdeutschlands (Sachsen-Anhalt, Brandenburg und  Mecklenburg-Vorpommern) geforscht. In Berlin gingen die Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung sogar zurück. In der industrieschwachen Region konnte allerdings der Rückgang durch überdurchschnittliche Forschungsaktivitäten im öffentlichen Bereich, wie Hochschulen oder staatliche Forschungsinstitute, kompensiert werden. Rechnet man die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im privaten und öffentlichen Sektor zusammen, kommt Berlin sogar hinter Baden-Württemberg auf den zweiten Platz.

„Wo es gewachsene Wirtschaftsstrukturen gibt, wird auch viel geforscht“, resümiert Bernd Kreuels von der Wissenschaftsstatistik im Stifterverband. „Die forschungsintensiven Großunternehmen fehlen in den neuen Bundesländern. Sie sind vor allem im Süden Deutschlands angesiedelt. Und so ist die Nachfrage nach hochqualifiziertem Personal dort erwartungsgemäß sehr hoch. Auch wenn es in  anderen Regionen einzelne Lichtblicke gibt.“

In Deutschland arbeiten mehr als 360.000 Forscher und Entwickler in der Wirtschaft. Fast die Hälfte des FuE-Personals der Unternehmen ist deutschlandweit auf lediglich zehn Regionen verteilt: Stuttgart, München, Rhein-Main, Braunschweig, Unterer Neckar, Berlin, Starkenburg, Düsseldorf, Mittelfranken und Köln. Allein in den Regionen Stuttgart und München arbeiten fast ein Viertel der deutschen Industrieforscher.

Zur Methodik
Im Rahmen der FuE-Erhebung befragt der Stifterverband im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, wieviel Geld die Unternehmen in FuE investieren und wie viele Forscher sie beschäftigen. Im Jahr 2013 erhob er in seiner Studie darüber hinaus auch die räumlich Verteilung der Forschungsstätten und deren quantitative Besetzung. So kann mithilfe weiterer Unternehmensparameter, wie Branche oder Größe, eine aktuelle Landkarte der Forschung skizziert werden. www.wissenschaftsstatistik.de

Die Studie „Wo Unternehmen forschen – Verteilung und Veränderung“ zum Herunterladen: https://www.stifterverband.org/medien/wo-unternehmen-forschen


Kontakt:
Presse
Peggy Groß
T 030 322982-530

Wissenschaftsstatistik
Bernd Kreuels
T 0201 8401-413




Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001