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Freitag, 28. Juli 2017

Fünf Jahre Za´atari Flüchtlingslager: Kinderleben zwischen Hoffnung und Perspektivlosigkeit



Berlin, 28. Juli 2017. Genau vor fünf Jahren wurde das Za´atari Camp im Norden Jordaniens, unweit der syrischen Grenze, eröffnet. Knapp einer halben Million Menschen hat das Camp bisher Zuflucht geboten. Die ersten Unterkünfte wurden innerhalb von nur 9 Tagen im Juli 2012 erbaut, aber bereits im April 2013 lebten laut Schätzungen des UNHCR 200.000 Menschen im Camp. Aktuell sind dort 80.000 Menschen angesiedelt. Die Hälfte davon sind Kinder.
Für diese Kinder bedeutet die Flucht mehr als nur den Verlust ihrer Heimat, sondern gleichzeitig den Verlust von Bildung und das Risiko von Kinderarbeit oder früher Verheiratung. Am stärksten betroffen sind Jugendliche, da sie die finanziellen Lasten der Familien mittragen. Diesen Mädchen und Jungen ist es oft versagt, die verlorenen Schuljahre aufzuholen.

Seit Beginn des Krieges in Syrien vor sechs Jahren sind knapp 1,3 Millionen Menschen nach Jordanien geflohen – mit enormen Auswirkungen auf die Infrastruktur des Landes. Vor allem Bildungsmöglichkeiten für syrische Kinderflüchtlinge waren kaum vorhanden. Erst im letzten Jahr gab es Anstrengungen seitens der Regierung, dies zu verbessern. Auch die Beschränkung des Schulbesuchs für Kinder, die mehr als drei Jahre die Schule verpasst haben, wurde aufgehoben. Syrischen Familien ist es mitunter gestattet, in einigen Industriezweigen zu arbeiten. Als Resultat wurde Kinderarbeit minimiert. Aber noch immer sind 50% aller syrischen Haushalte in Jordanien vom Einkommen ihrer Kinder abhängig.

Trotz aller Bemühungen gibt es viele Jugendliche, die keine Schule besuchen. Im Schuljahr 2016/17 wurden nur 24.542 syrische Schüler in den Schulen registriert, obwohl 50.000 neue Plätze zur Verfügung standen. Die syrischen Kinder, die in die Schule zurückkehrten, berichten von Schwierigkeiten, Anschluss zu finden, weil es nur drei vollgepackte Schulstunden pro Tag für den gesamten Lernstoff gibt und die Klassen stark durchmischt sind in Bezug auf Alter und Fähigkeiten der Kinder. Nahezu die Hälfte aller syrischen Kinder im Schulalter in Jordanien ist statistisch von formaler Bildung ausgeschlossen.

Aufgrund des anhaltenden Krieges gibt es zudem immer mehr Alleinerziehende, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Syrische Mädchen sind deshalb nach wie vor von früher Verheiratung betroffen, da die Familien die finanzielle Last nicht mehr schultern können. Andere Familien hingegen behalten vor allem in den dunklen Wintermonaten ihre Mädchen zuhause, aus Angst vor sexueller Belästigung auf dem Schulweg.

Susanna Krüger, Geschäftsführerin von Save the Children, hat das Za´atari Camp mehrmals selbst besucht und stellt fest: „Das Za´atari-Camp repräsentiert den Beginn der syrischen Flüchtlingskrise. Die jordanische Regierung unternimmt große Anstrengungen, um allen Kindern die Chance auf Bildung zu geben, aber dies ist nicht immer ausreichend. Viele Kinder haben einen großen Teil ihrer Schulausbildung verpasst und benötigen zusätzliche Unterstützung, um eine Perspektive zu erhalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie zu einer verlorenen Generation werden. Die jordanische Regierung hat zwar ihr Versprechen gehalten, ausreichend Schulplätze zu schaffen. Doch ein Platz an einem Tisch ist nicht genug. Lehrer brauchen eine qualifizierte Aus- oder Fortbildung, um mit den Folgen umzugehen, die Kinderarbeit, frühe Verheiratung, Ängste oder Missbrauch bei den Kindern ausgelöst haben.“

Save the Children ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, ihre Verpflichtungen der Londoner und Brüsseler Konferenzen zu erneuern und die Länder der Region mit Geld und Ressourcen zu unterstützen, die die Kinder wieder zur Schule bringen. Dazu ist professionelle und finanzielle Unterstützung nötig für:

·         Trainings für Lehrer und Berater in Aufnahmeländern, damit Kinder den Bildungsstandard bekommen, den sie brauchen
·         Bessere Schulsysteme, in denen sich Kinder sicher fühlen in der Schule und Maßnahmen gegen Mobbing sowie eine Stärkung des gemeinschaftlichen Zusammenhaltes und der Verfolgung von Straftaten gegenüber Kindern
·         Pläne, um das zweigleisige System aus formalen und nicht-formalen Bildungsstätten zu beenden, und beide wieder zu einem vernünftigen Schulsystem zusammenzuführen
·         Größere Bemühungen, um Kindern aus nicht-formalen Bildungswegen den Weg zurück in öffentliche Schulen zu ebnen
·         Das Messen von Lernerfolgen als ein Instrument zum Überprüfen und Verbessern der Bildungsqualität


Kontakt:

Save the Children Deutschland e. V.
Pressestelle – Anna Blässer     
Tel.: +49 (30) 27 59 59 79 – 490


Über Save the Children
Save the Children ist als größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in mehr als 120 Ländern tätig. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Schule und Bildung, Schutz vor Ausbeutung und Gewalt sowie Überleben und Gesundheit – auch in Katastrophensituationen. Save the Children setzt sich ein für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet. Eine Welt, in der alle Kinder gesund und sicher leben und frei und selbstbestimmt aufwachsen können.



Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001