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Donnerstag, 13. April 2017

Crowdfunding erfolgreich: Börsenverein schaltet Anzeigen für Meinungsfreiheit in türkischen Medien



Crowdfunding: Mehr als 16.000 Euro für Meinungsfreiheit in Türkei gespendet / Rund 400 Spender unterstützen Solidaritätsanzeigen in freien türkischen Medien / Zeichen für Meinungsfreiheit vor dem Referendum zur Verfassungsänderung am 16. April

Bereits am vergangenen Freitag, zwei Tage vor Ende des Crowdfundings, war das Ziel erreicht: Rund 400 Unterstützer haben binnen vier Tagen insgesamt mehr als 16.000 Euro für Solidaritätsanzeigen in unabhängigen türkischen Medien gespendet. Im Rahmen der Initiative #FreeWordsTurkey hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zu Spenden aufgerufen. Mit den Anzeigen bekunden die Initiatoren Solidarität mit verfolgten Autoren, Journalisten, Verlagen, Kulturschaffenden sowie Bürgerinnen und Bürgern der Türkei. Die Anzeigen erscheinen noch vor dem Referendum zur Verfassungsänderung am 16. April 2017 unter anderem in den Print- bzw. Online-Ausgaben von Agos Weekly, BirGün, Cumhuriyet, Diken.com.tr, Evrensel und Turuncutime.

Über die Crowdfunding-Plattform startnext.com sammelte der Verband Spenden. Mit Unterstützung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, der International Publishers Association, des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes SBVV, des Writers-in-Prison Committee of PEN Austria sowie der European and International Booksellers Federation und weiteren Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern können die Anzeigen geschaltet werden.

„Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Wir bedanken uns bei den Unterstützerinnen und Unterstützern der Aktion. Sie haben gezeigt, dass Ihnen Meinungsfreiheit sehr viel wert ist. Dieses Grundrecht wird in der Tükei gerade mit Füßen getreten, es herrscht ein Furor gegen Andersdenkende. Autoren und Journalisten werden Repressionen ausgesetzt, verfolgt und inhaftiert, Medienunternehmen und Verlage unter Druck gesetzt. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass die Türkei auf dem Weg in einen totalitären Unrechtsstaat ist. Denn nichts fürchten Despoten mehr als das freie Wort. Mit den Anzeigen wollen wir unsere Solidarität zeigen und gleichzeitig ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen“, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.

Im türkischen Anzeigentext (unten in deutscher Übersetzung) sprechen die Unterstützerinnen und Unterstützer allen, die Repressionen durch die türkische Regierung ausgesetzt sind, ihre Solidarität aus. Sie appellieren an eine gemeinsame demokratische Wertegemeinschaft.
Bereits heute sitzen über 150 Journalistinnen und Journalisten, Autorinnen und Autoren in türkischen Gefängnissen. Am 16. April 2017 stimmen die türkischen Bürgerinnen und Bürger über eine Verfassungsänderung ab, die dem Staatspräsidenten des Landes erhebliche Kompetenzen übertragen würde. Damit wäre eine weitere Verschärfung der Lage der Meinungsfreiheit in der Türkei zu befürchten.


Der Anzeigentext im Wortlaut:

Gemeinsam für Freiheit und Demokratie!
Mit großer Sorge beobachten wir, dass sich die türkische Politik immer weiter von den Grundwerten freiheitlicher Gesellschaften entfernt. Gewaltenteilung, Chancengleichheit für alle politischen Parteien und nicht zuletzt das Recht der einzelnen Bürgerinnen und Bürger, ihre Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, sind Grundvoraussetzungen für das Gelingen einer freien und demokratischen Gesellschaft. Wir wissen, dass für diese Werte viele von Ihnen stehen.
Wir sehen, in welcher schwierigen Situation und Zeit ein großer Teil von Ihnen lebt. Als Autoren, Verleger, Journalisten, Buchhändler, Künstler, Anwälte, Richter, Wissenschaftler und Bürgerinnen und Bürger sind Sie unerhörten Anschuldigungen, Repressionen und Gewalttaten ausgesetzt, die jedweder Rechtsstaatlichkeit widersprechen. Mit dieser Anzeige möchten wir unsere Solidarität mit Ihnen ausdrücken. Wir denken an Sie und hoffen, dass Sie Teil der uns verbindenden Wertegemeinschaft bleiben.

Ihre europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürger
#FreeWordsTurkey

Eine Initiative des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels


Kontakt für die Medien:

Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
Thomas Koch, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon +49 (0) 69 1306-293, E-Mail: t.koch@boev.de
Alexander Vieß, PR-Manager
Telefon +49 (0) 69 1306-296, E-Mail: viess@boev.de 

Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001