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Dienstag, 30. Mai 2017

Altes Ägypten: Erstmals gesamtes Erbgut von Mumien entziffert



Geografische Zuordnung der untersuchten Proben: Diese Karte von Ägypten zeigt die archäologische Fundstätte Abusir-el Meleq (orangefarbenes Kreuz) und die Orte der Probennahme von modernen Ägyptern (orangefarbene Punkte). Grafikdesign: Annette Günzel, Credit: Nature Communications,
DOI: 10.1038/ncomms15694


Die nächsten Verwandten der alten Ägypter stammten aus dem Nahen Osten – Kaum Genaustausch mit Afrika südlich der Sahara

Erstmals konnte ein internationales Wissenschaftlerteam Genmaterial von ägyptischen Mumien aus der Zeit um 1.400 v. Chr. bis 400 n. Chr. umfassend rekonstruieren und analysieren. Bei drei Individuen konnte das Team unter Führung von Professor Johannes Krause sowie weiteren Forscherinnen und Forschern der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena sogar das Genom entschlüsseln. Die Analysen ergaben, dass die alten Ägypter nicht nur mit der damaligen Bevölkerung des östlichen Mittelmeerraums eng verwandt waren, sondern auch mit der neolithischen Bevölkerung Kleinasiens und Europas. Dagegen ließen sich kaum genetische Einflüsse von Afrikanern südlich der Sahara nachweisen, sehr im Gegensatz zur Situation bei modernen Ägyptern. Die Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Das Wissenschaftlerteam untersuchte die genetische Differenzierung und die Populationen über einen Zeitraum, der vom ägyptischen Neuen Reich bis in die spätrömische Zeit reicht, und verglich diese Ergebnisse mit modernen Populationen. Das Team nahm dazu Proben von 151 einbalsamierten Individuen, die aus der archäologischen Fundstätte Abusir el-Meleq am Nil in Mittelägypten und aus zwei anthropologischen Sammlungen stammten. Die eine befindet sich an der Universität Tübingen, die andere ist die Schädelsammlung Felix von Luschan am Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Insgesamt entzifferten die Wissenschaftler Mitochondriengenome von 90 Individuen und genomweite Daten von drei Individuen.

Kaum genetischer Einfluss durch fremde Eroberungen

Die Studie ergab, dass es in der Genetik der Gemeinschaft von Abusir el-Meleq im untersuchten Zeitraum von rund anderthalb Jahrtausenden keine großen Verschiebungen gab. „Die Population wurde von fremden Eroberungen wie etwa die durch Alexander den Großen genetisch nicht beeinflusst“, sagte Dr. Dr. Verena Schünemann vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen. Dagegen weisen die Gene moderner Ägypter einen Anteil von ungefähr acht Prozent auf, der aus afrikanischen Populationen südlich der Sahara stammt. „Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass es innerhalb der letzten 1.500 Jahre einen zunehmenden Genfluss aus dem sub-saharischen Afrika nach Ägypten gegeben haben muss“, sagte Dr. Stephan Schiffels vom Jenaer Max-Planck-Institut. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass nach dem Ende der Antike die Mobilität der Menschen aus dem Süden Afrikas entlang des Nils nach Ägypten zugenommen hat. Dazu habe der Fernhandel beigetragen, insbesondere der Sklavenhandel über die Sahara hinweg, der vor rund 1.300 Jahren begonnen habe.

Durchbruch bei der Isolierung von Kern-DNA aus Mumien

Ägypten gilt als vielversprechende Region für die Untersuchung früher Populationen. Es verfügt über eine reiche und gut dokumentierte Geschichte. Seine geografische Lage und der häufige Kontakt mit Populationen aus Afrika, Asien und Europa sorgten schon lange für eine dynamische Entwicklung. „Die jüngsten Fortschritte bei der Untersuchung alter DNA ermöglichen es, das bestehende Wissen über die ägyptische Geschichte anhand von genetischen Daten zu überprüfen“, erklärte Professor Johannes Krause, Seniorautor der Studie. Doch es bleibe eine große Herausforderung, verwertbare DNA aus altägyptischen Mumien zu isolieren. Zum einen zerfällt das Erbgut auch in einbalsamierten Körpern, zum anderen wurde es über den langen Zeitraum mit der DNA von Mikroorganismen und anderen Menschen verunreinigt.

Wissenschaftler haben immer wieder Zweifel erhoben, ob vor allem die aus den Zellkernen von Mumien isolierte DNA überhaupt aussagekräftige Daten liefert. „Das Potenzial dieser Daten muss besonders kritisch geprüft werden“, bekräftigt Krause. „Das heiße ägyptische Klima, die hohe Luftfeuchtigkeit in vielen Gräbern und einige der Chemikalien, die bei der Einbalsamierung eingesetzt wurden, tragen zur Veränderung und dem Abbau der DNA bei. Das muss man im Blick behalten.“ Mit dieser Studie sei nun aber ein Durchbruch bei der Isolierung der DNA aus dem Zellkern und der Gewinnung verlässlicher Daten erzielt worden. „Die Studie hat gezeigt, dass ägyptische Mumien eine verlässliche Quelle für die DNA der alten Ägypter sind und dass sie erheblich dazu beitragen können, die Bevölkerungsgeschichte dieser Region zu verstehen“, sagte Krause abschließend.
  

Publikation:
Verena J. Schuenemann, Alexander Peltzer, Beatrix Welte, W. Paul van Pelt, Martyna Molak, Chuan-Chao Wang, Anja Furtwangler, Christian Urban, Ella Reiter, Kay Nieselt, Barbara Tessmann, Michael Francken, Katerina Harvati, Wolfgang Haak, Stephan Schiffels & Johannes Krause: Ancient Egyptian mummy genomes suggest an increase of Sub-Saharan African ancestry in post-Roman periods. Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms15694

Kontakt:
Prof. Dr. Johannes Krause
Max-Planck-Institut für Menschheitsgesichte in Jena und Universität Tübingen
Telefon +49 3641 686-600
E-Mail: krause[at]shh.mpg.de

Dr. Dr. Verena Schünemann
Universität Tübingen
Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie, AG Archäo- und Paläogenetik
Telefon +49 7071 29-75652
verena.schuenemann[at]ifu.uni-tuebingen.de


Eberhard Karls Universität Tübingen
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Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001